Raumgestaltung und Entwerfen, raumgestaltung.tuwien.ac.at
RAUM
TU Wien, Architektur und Entwerfen, Karlsplatz 13/253.3, 1040 Wien

Integrierter Entwurf (Ba.) Stadtfriedhof St. Marx

 

Stadtfriedhof
In seinem Radiovortrag Die Heterotopien beschreibt Michel Foucault 1966 den Friedhof als den „absolut anderen Ort“, als mythischen Ort, der der Alltäglichkeit entfremdet ist, aber entgegen der Vorstellung gedanklicher, traumartiger Utopien, einen realen, physisch und zeitlich fassbaren Raum innerhalb der Stadt bildet.

Nicht immer hatte der Friedhof in der westlichen Zivilisation diese Bedeutungszuschreibung. Im römischen Weltreich fanden die Bestattungen an der Peripherie der Orte, in linearen Formationen entlang der Einfahrtstrassen statt. Mit der Christianisierung in Europa begann sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche in den Dorf- und Stadtzentren der Kirchhof als geweihter Bestattungsort zu etablieren. Gläubigen konnte so eine Ruhestätte im Nahbereich ihrer verehrten Heiligen und Reliquien ermöglicht werden. Das Ritual des Begrabens war im Gegensatz zu heute keine festliche, sondern eine pragmatische Aktivität, kollektive Massengräber nicht unüblich und der Tod als Teil des dörflichen und städtischen Alltags ein allgegenwärtiges Ereignis.

Erst mit Beginn der Aufklärung kam es als hygienische Maßnahme zur Auflösung und Auslagerung von Grabstätten aus den Stadtzentren in die vorstädtische Peripherie. Es entstanden erste städtische Zentralfriedhöfe, die den Ort der Toten vom Alltag der Lebenden in der Stadt trennten. Diese landschaftlich überformten Orte waren Vorgänger der „Parkfriedhöfe“ des 20.Jhs.

Die Planung eines Stadtfriedhofs in St. Marx soll die Auslagerung des Bestattens und Gedenkens aus der Stadt und die Tabuisierung des Todes aus dem Alltag kritisch hinterfragen. Die Gebäudesetzung eines neuen multikonfessionellen Bestattungsortes in Zusammenspiel mit Funktionsräumen des städtischen Alltags soll neue Zugänge zu einer zeitgenössischen, innerstädtischen Ruhestätte öffnen.

Sankt Marx
Im Zuge der durch Joseph II. veranlassten Auslagerung innerstädtischer Friedhöfe in Wien, wurde 1784 der Biedermeier-Friedhof St. Marx im Nahbereich eines Bürgerspitals direkt am Linienwall angelegt. Eine rationale Struktur der begrünten Wege und Grabstellen bestimmt dieses Entwurf.

Eingekeilt durch den Landstraßer Gürtel, eine S-Bahn-Trasse entlang des Rennweges und eine Überführung der Südosttangente, bildet der ehemals wichtige Warenverkehrspunkt heute eine städtebauliche Sondersituation. Wohn- und Freizeitanlagen treffen auf den inzwischen verwilderten und seit 1937 als denkmalgeschützte Parkanlage genutzten Friedhof.

An dieser städtebaulichen Schnittstelle zwischen dem ehemaligem Friedhof St. Marx und dem angrenzenden Wohngefüge soll die Thematik des Bestattens und Gedenkens im heutigen Kontext weitergedacht werden. Integraler Teil der Entwurfsaufgabe ist die landschaftsarchitektonische Gestaltung des Ortes, die den Friedhof als älteste innerstädtische Freifläche im Bezug zu seiner heutigen morphologischen Umgebung thematisiert.

 

Methoden

Als Integrierter Entwurf basiert die Lehrveranstaltung auf der Auseinandersetzung mit der Architektur als zugleich räumlichem, sozialem, konstruktivem und bauphysikalisch-ökologischem Phänomen. Dabei soll als Hauptaugenmerk der Entwurf auch in Beziehung mit dem ihn umgebenden Freiraum und der bestehenden Landschaft betrachtet werden. Weiters soll an die bisherigen Entwerfen der vergangenen Semester angeschlossen und das Thema des monolithischen Bauens kritisch diskutiert werden.

Ausgehend von einer umfangreichen Bestandsanalyse wird Architektur als Prozess verstanden, der morphologisch-typologische Kontexte sowie gesellschaftliche Strukturen ergründet und transformiert. Durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen Maßstäben, von der Stadtmorphologie, über die Komposition konkreter Baukörper, bis hin zur Materialisierung und Konstruktionsentwicklung im Detail, wird Architektur als vielschichtige Disziplin in allen Dimensionen verstanden und eingesetzt.

 

Vortragende

Wilfried Kuehn
Peter Bauer
Eldar Hajdarevic
Julia Nuler
Lisi Zeininger
Günter Meusburger
Maria Auböck
János Kárász

 

Weitere Informationen

Informationstermin: Mo, 28. Februar 2022, 11.00 Uhr, via Zoom
Einführung: Do, 03. März 2022, 11.00 Uhr, Seminarraum AE U1 – 6
mit Bauplatzbesichtigung im Anschluss

 

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