Wiener Räume: Markt und Halle
Die Gesamtfläche entlang des Wientals entstand durch die Überwölbung des Wienflusses als Teil eines groß angelegten Projekts am Ende des 19. und zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Ein Produkt von Prozessen, sowie sozialen, politischen und wirtschaftlichen Vorgängen, die Wien räumlich stark verändert und geprägt haben.
Otto Wagner formulierte eine Idee für die Errichtung eines Wiental-Boulevard, der bis Schönbrunn reicht. Sein Vorschlag wurde nicht realisiert. Dennoch zeugen Gründerzeithäuser im Bereich des Naschmarkts sowie Wagners sogenannte „Wienzeilenhäuser“ von seiner Vorstellung und Haltung gegenüber Wien als wachsende „Großstadt“. Maßgebend für die Identität des Orts ist der Wiener Naschmarkt, der ab 1902 entsprechend den Plänen von Friedrich Jäckel und nach mehreren Stationen in der Stadt seinen heutigen Standort erhalten hat. Am Ort überlagern sich unterschiedliche Maßstäbe, Strukturen und räumliche Sequenzen.
Das Entwurfsgebiet liegt im Anschluss des Wiener Naschmarkts rechts und links von der Kettenbrücke. Das Areal, das sich auf ca. 18,000 qm erstreckt, ist bis auf wenige Bauten wie die U-Bahn-Station von Otto Wagner und das historische Marktamtsgebäude weitgehend ein freier Raum, und wird derzeit überwiegend als Parkfläche – eindeutig unter seinem Potenzial- genutzt. Jeden Samstag findet an der Fläche parallel zur U-Bahn-Station ein in Wien bekannter und gut besuchter Flohmarkt statt.
Die Lage zwischen der Rechten und Linken Wienzeile ist durch die für den Stadtraum Wiental charakteristische Linearität sowie die Proportionen und Materialität der Wienflussanlagen geprägt. Entlang der Rechten Wienzeile verläuft die Trasse der U-Bahnlinie U4, die nur teilweise überplattet ist, und bildet somit eine deutliche Kante im südlichen Bereich. Im Westen grenzt das Areal an das Wienflussportal, das den Übergang zum offenen Wienfluss einleitet.
Am Beispiel der Entwicklung dieses Ortes werden viele Schichten und Geschichten aufgezeigt, anhand einzelner Bauten und als städtischer Wiener Raum, in dem sich die Beziehung zwischen Stadt, Landschaft, Kultur und Infrastruktur materialisiert. Seit einigen Jahren laufen Diskussionen über eine umstrittene Planung für die Neugestaltung des Areals, das sich in öffentlicher Hand befindet. Der Vorschlag der Stadt, eine Markthalle zu errichten, wird von den AnrainerInnen vehement abgelehnt, die wiederum eine begrünte Fläche befürworten. Lassen sich aber die Anforderungen an solch einen komplexen und vielschichten Ort auf so vereinfachte und plakative Lösungen reduzieren?
Als Bauplatz setzt die Aufgabe eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ort voraus. Die Präzisierung der Aufgabenstellung für den Entwurf beruht auf folgende Fragen: Wo und in welcher Form kann am Areal weitergebaut werden? Wie beeinflusst die Geschichte die Weiterentwicklung des Areals? Wie lassen sich stadträumliche Strukturen weiterdenken oder neu definieren? Welche Architektur sollte dieser Ort heute im Verhältnis zum Bestand erhalten? Wie soll auf die vielfältigen Nutzungsansprüche typlogisch reagiert werden? Wie lassen sich die Beziehungen zwischen öffentlichem Raum und privater Nutzung mit architektonischen Mitteln zum Ausdruck bringen?
Methoden
Theoretische Grundlagen, die Analyse von typologischen Referenzen auf ihre bauliche und räumliche Strukturen hin sowie eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kontext bilden den Einstieg in die Entwurfsarbeit. Im Laufe des Semesters sollen räumliche Handskizzen die Entwurfsarbeit an den physischen Arbeitsmodellen ergänzen, mit deren Hilfe architektonische Fragestellungen untersucht werden. Durch digitale Zeichnungen werden unterschiedliche Aspekte des Entwurfs in mehreren Maßstäben parallel erarbeitet. Regelmäßige Aufgabenstellungen sollen die Entwicklung der Projekte während des Semesters voranbringen und so einen verstärkten Fokus auf den Entwurfsprozess legen, untermauert von theoretischen Auseinandersetzung mit relevanten Themen.
Vortragende
Wilfried Kuehn
Basma Abu-Naim
Brendon Nicolas Carlin
Reinhard Georg Schneider
Weitere Informationen
Kick-off: Mi, 01. März 2023 im Projektraum 4, 14.00 Uhr