Raumgestaltung und Entwerfen, raumgestaltung.tuwien.ac.at
RAUM
TU Wien, Architektur und Entwerfen, Karlsplatz 13/253.3, 1040 Wien

Exponat Mies/Exponat Frank

 

Andreas Nierhaus
„Was ist modern? Josef Frank und das Neue Bauen“

Otto Kapfinger
„Villa Beer  –  west-östlicher Diwan. Ein Schlüsselwerk in Josef Franks Konzept von Baukunst und Lebensform“

via Zoom tuwien.zoom.us/j/97999021244

 

Im Rahmen der Lehrveranstaltungen „Großes Entwerfen Exponat Frank“ und “Großes Entwerfen Exponat Mies“ am Forschungsbereich Raumgestaltung und Entwerfen.

 

Was ist modern? Josef Frank und das Neue Bauen
– Andreas Nierhaus 

Mit der Moderne wurden Ausstellungen zu zentralen Orten des Gesprächs über Architektur und Wohnen. Auch Josef Frank bestimmte seine Position innerhalb des “Neuen Bauens” nicht zuletzt über Ausstellungen – und wurde umgekehrt darüber definiert: Durch die orthodoxe Kritik an seinen betont bunten, textilen, jeder geplanten Einheitlichkeit spottenden Innenräumen auf der Stuttgarter Weißenhofsiedlung 1927 zum Außenseiter erklärt, antwortete er darauf mit der Planung der Wiener Werkbundsiedlung. 1932 eröffnet, wurde sie zum wichtigsten Dokument jener undogmatischen späten “Wiener Moderne” vor 1938, die maßgeblich von Frank und seinem Kreis geprägt wurde. Dazwischen lag die Tagung des Deutschen Werkbunds in Wien 1930, auf der Frank die ebenso grundsätzliche wie provokante Frage “Was ist modern?” stellte – und damit seine kritische Distanz zum herrschenden Funktionalismus unmissverständlich zum Ausdruck brachte. Ebenso demonstrativ – und damit gewissermaßen “ausgestellt” – war schließlich die Veröffentlichung von Franks bis dahin größtem Auftrag, dem Haus Beer in der Wenzgasse, im Jahr 1931 als impliziter “Gegenbau” zum Haus Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe. Der Vortrag untersucht Josef Franks Rolle innerhalb des Neuen Bauens entlang seiner wichtigsten Ausstellungen und macht damit zugleich die Bedeutung von “Zeigen” und “Schauen” als konstitutive und repräsentative Akte innerhalb der architektonischen Moderne exemplarisch deutlich.

 

„Villa Beer – west-östlicher Diwan. Ein Schlüsselwerk in Josef Franks Konzept von Baukunst und Lebensform“
– Otto Kapfinger 

Die Villa Beer in Wien-Hietzing, 1929-30 nach Entwurf von Josef Frank und Oskar Wach realisiert, ist nicht nur das architektonische „Hauptwerk“ von Frank in Österreich, sie markiert auch – am Ende der politisch und kulturell so turbulenten wie innovationsträchtigen 1920er Jahre – paradigmatisch die Maximen der spezifischen Wiener Schule innerhalb der klassischen ArchitekturModerne, die um 1900 aus dem Nährboden der Wagnerschule herauswächst, die damalige Polemik um zeitgemäßen „Stil“ zwischen Exponenten der Secession wie Josef Hoffmann einerseits und radikalen Kulturkritikern wie Adolf Loos andererseits überwindet – und ab 1913/14 zu neuen, undogmatischen Wohn- und Baukonzepten führt. Die Quellen und Referenzen im Kreis um Frank, Strnad, Lihotzky, Wlach, Sobotka, Vetter u.a. sind vielfältig, Frank im Besonderen verarbeitet schon vor 1914 Inspirationen aus dem Wiener Biedermeier, der griechischen Antike, der römischen Renaissance, der englischen Arts&Craft, der skandinavischen Reformbewegung sowie der ostasiatischen Kulturen zu seiner „offenen“, aus mechanistischen Maximen gelösten Anschauung von Baukunst und Lebensform. Modern ist für ihn das, was Individuen maximale Freiheit gibt. Haus & Garten – so auch der Titel der von ihm mit Wlach 1925 gegründeten Einrichtungsfirma – stehen räumlich und atmosphärisch in engster Beziehung, wobei die Natur-Komponente des Garten das eigentliche Zentrum bildet. Der Vortrag führt mit aktuellen und historischen Dokumenten durchs Haus, skizziert mit Referenzbildern Franks intellektuellen und gestalterischen Hintergrund, zeigt kurz auch die Entwicklung und weitere Ausstrahlung seiner Auffassung, von 1925 bis in die 1960er Jahre…

 

Andreas Nierhaus

Studium der Kunstgeschichte und Geschichte in Wien; 2005-2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; seit 2008 Kurator der Architektursammlung des Wien Museums; 2019 Vertretungsprofessur für Kunstgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Forschungsschwerpunkte: Architektur im 19. und 20. Jahrhundert, Medien der Architektur, Architekturzeichnungen; Ausstellungen und Publikationen unter anderem über die Wiener Werkbundsiedlung (2012), die Wiener Ringstraße (2015), Otto Wagner (2018, 2020) und Richard Neutra (2020).

 

Otto Kapfinger 

Studium der Architektur an der TU Wien; 1970 Begründer von Missing Link (mit Angela Hareiter, Adolf Krischanitz); 1979-90 Redakteur der Zeitschrift UmBau; 1981-91 Architekturkritiker der Tageszeitung Die Presse; Autor diverser Ausstellungen und Buchveröffent­lichungen zur Baukunst des 20. Jhds. in Österreich; 2019 Verleihung des Ehrendoktorats der TU Wien. Speziell zu Josef Frank und seinem Umfeld seit 1981 zahlreiche Essays, Vorträge und Fachpublikationen, zuletzt: Stadtbaukunst von unten. Positionen von Josef Frank an der Wende von der Wiener Siedlerbewegung zum monumentalen Gemeindebau, in: Thun-Hohenstein/Czech/Hackenschmidt (Hg.): Josef Frank. Against Design, Basel 2015.

 

Weitere Informationen

Großes Entwerfen Exponat Mies
Großes Entwerfen Exponat Frank